Alois Podhajsky

6. April 2017

Alte Meister | Kristina Conrädel  | 06.04.2017

Anfang des 20.ten Jahrhunderts brechen bewegte Zeiten für Europa an. Auf den 1. Weltkrieg folgt die Finanzkrise, Massenarbeitslosigkeit macht dem Volk zu schaffen und schließlich entbrennt der 2. Weltkrieg. Auch an der Spanischen Hofreitschule in Wien geht diese Zeit nicht spurlos vorüber, die Pferde müssen sogar für eine lange Zeit evakuiert werden. In diesen schwierigen Zeiten, die schwerwiegende Entscheidungen fordern, leitet ein ganz besonderer Pferdemensch die Ausbildung der Wiener Lipizzaner: Alois Podhajsky.

Als sich das 19. Jahrhunderd seinem Ende zuneigt, genauer gesagt im Jahr 1898, wird in Bosnien ein kleiner Junge geboren und auf den Namen Alois Podhajsky getauft. Schon früh zeigt der Knabe eine besondere Affinität zu Pferden und mit 12 Jahren erhält er den ersten Reitunterricht. Bald nach den ersten Reitstunden bestreitet der junge Podhajsky erfolgreich Dressur- und Springturniere. Beruflich entscheidet er sich allerdings zunächst für eine Militärlaufbahn. Auch dort bleibt Podhajskys Pferdeverstand nicht verborgen und so wird er bald zur Kavallerie versetzt. Hier nimmt er an mehreren reiterlichen Fortbildungen teil. Während dieser Zeit verschlägt es den jungen Podhajsky das erste Mal an die Spanische Hofreitschule in Wien. Für zwei Jahre wird er dorthin abkommandiert und erhält Unterricht von den Ausbildern Wenzel Zrust, Gottlieb Polak und Ernst Lindenbauer. Nach seinem ersten Aufenthalt an der Hofreitschule bestreitet Podhajsky im Jahre 1936 die Olympischen Sommerspiele in Berlin. Dort belegt er mit seinem Pferd „Nero“ den Bronzerang in der Dressur. Ein großartiger Erfolg für den inzwischen 38-Jährigen. Aber Podhajsky bleibt nicht bei der Sportreiterei, ihn zieht es zurück nach Wien. Am 1. März 1936 wird er zum Kommandeur der Spanischen Hofreitschule berufen. Von diesem Zeitpunkt an prägt er maßgeblich die Dressurausbildung der Lipizzaner. Aufgrund seiner Erfahrung, seiner Persönlichkeit und seines besonderen Gespürs für das Lebewesen Pferd wird er zu einem der renommiertesten Ausbilder seiner Zeit und hat auch bis heute nichts an Aktualität eingebüßt. Alois Podhajsky erweist sich als ein wahrer Meister seines Fachs.

Hilfen sind zum Helfen da

Eine gute Verständigung zwischen Reiter und Pferd war für Podhajsky elementar. Seine Meinung ist: Für eine gute Kommunikation ist es wichtig, dass der Reiter sein Pferd stets genau beobachtet. Laut Podhajsky sollte der Reiter dabei ähnliche Fähigkeiten wie ein Psychologe mitbringen: Die Anzeichen des Pferdes erkennen, ein sinnvolles Urteil bilden und daraus die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Die wichtigste Verständigungsmöglichkeit mit dem Partner Pferd sind die Hilfen. Diese mussten bei Podhajsky immer klar und eindeutig sein, damit das Pferd sie problemlos verstehen kann. Das Wort „Hilfen“ hat er dabei wörtlich interpretiert. Denn der Reiter ist dazu da, dem Pferd während der Ausbildung zu helfen. Dieses Verständnis zeigt schon, dass Angst vor den Hilfen und Schmerz durch grobe Einwirkung nicht gewollt sind – sie sind schlechte Lernbegleiter, die das Lernen erschweren, statt zu erleichtern. Als Verstärkung der Hilfen maß Podhajsky der Belohnung immer einen höheren Stellenwert zu, als der Bestrafung. Ziel der Hilfen war für ihn die vollkommene Verschmelzung der beiden Lebewesen: Mensch und Pferd in der Dressur vereint.

Immer langsam mit den jungen Pferden!

Ein Pfeiler von Podhajskys Pferdeausbildung war stets die solide Basis. Er achtete sehr auf eine langsame und schonende Grundausbildung der jungen Pferde. Weiterhin betonte er, wie spätreif Lipizzaner sind, und dass die individuelle Reife des Pferdes immer berücksichtigt werden müsste. Unter Podhajsky wurden die Pferde der Hofreitschule zunächst sehr langsam an das Zaumzeug und im nächsten Schritt an Longe und Reiter gewöhnt. Bevor Podhajsky die Leitung übernahm, wurden die Pferde meist schon im Gestüt angeritten und dann nach Wien gebracht. Diese Pferde zeigten aber häufig Zungenfehler oder andere Ausbildungsmängel, die eine Weiterarbeit erschwerten. Aufgrund dessen verlagerte Podhajsky die Remontenarbeit nach Wien und zeigt damit deutlich, wie wichtig ihm die Arbeit mit den jungen Pferden war. Die Arbeit an der Longe nahm für ihn einen hohen Stellenwert ein, da in dieser Phase die Basis des späteren Dressurpferdes gründet. Des Weiteren entwickelt sich während der Longenausbildung schon eine erste Kommunikation und Vertrauensbasis. Allerdings warnte Podhajsky auch, dass in dieser Zeit viele Fehler gemacht werden können und fehlerhaftes Longieren schnell gesundheitliche und psychische Schäden nach sich ziehen könne.

Arbeit nach Maß

Genauso schädlich beurteilte er die Überforderung des jungen Pferdes unterm Sattel, denn durch zu langes Reiten kann der Gang gestört werden und Abwehrreaktionen beim Pferd auslösen. Deshalb rät Podhajsky ausdrücklich dazu, dass immer ein erfahrener Ausbilder die Arbeit mit den jungen Pferden überwacht und besonders auf das richtige Arbeitsmaß achtet. Bei der Spanischen Hofreitschule ließ er die jungen Pferde von ihren Ausbildern in der Abteilung arbeiten, Podhajsky stand währenddessen in der Mitte der Reitbahn und behielt so alle Pferde im Auge. Die Grundausbildung dauerte insgesamt ein Jahr. Es wurde allerdings Rücksicht darauf genommen, wenn Pferde wegen Krankheiten oder Spätreife eine längere Zeit benötigten.

Eine harte Schule

Unter Podhajskys Leitung wurde auch ein besonderes Augenmerk auf die Ausbildung der jungen Reiter gelegt. Ihm war es wichtig, dass seine Schüler den tieferen Sinn des Reitens erfassten und mit der Zeit das richtige Gefühl für sich und das Pferd erlangten. Ebenfalls verlangte er eine große reiterliche Geschicklichkeit für die praktische Ausführung des Reitens. Podhajsky forderte von jedem seiner Schüler eine komplette Unterordnung und duldete keine Widerworte. Die erste Phase der reiterlichen Ausbildung widmete er voll und ganz dem Sitz. Die jungen Reiter mussten dafür täglich 30-45 Minuten an der Longe Sitzübungen machen. Es hing stark vom Talent des jungen Reiters ab, wie lange es dauerte, bis er aus dieser ersten Phase entlassen wurde. Im Allgemeinen umfasste die Zeit der Sitzschulung sechs Monate bis ein Jahr. Danach bekam der Schüler ein gut gerittenes Schulpferd zugewiesen. Der Übergang zwischen Longe und selbstständigem Reiten wurde zumeist fließend gestaltet. Auf dem Schulpferd folgten dann das akribisch genaue Erlernen der Hilfen und deren Optimierung, immer wieder wurden vorhandene Fehler ausgemerzt und der Reiter zum Mitdenken angeregt. Das Reiten von Lektionen und die Perfektionierung des Gelernten, bildeten die Spitze der reiterlichen Ausbildung an der Hofreitschule.

Die perfekte Stunde

Wenn die Pferde dem Remontenalter entwachsen waren, begann Podhajsky mit der weiteren Dressurausbildung. Das Pferd sollte nun das „Richtig gehen“ lernen. Er begann sehr vorsichtig das Pferd zu formen und ihm zu helfen seine Fähigkeiten und Persönlichkeit zu entfalten. Dabei arbeitete er vor allem an Biegung, Rückentätigkeit und Hinterhandaktivität. Zudem maß Podhajsky dem Gleichgewicht eine wichtige Bedeutung zu, zum eEinen um Verschleiß zu vermeiden und zum anderen um spätere Versammlung und Kadenz zu ermöglichen und vorzubereiten. Er erreichte das nötige Gleichgewicht durch viel Arbeit auf gebogenen Linien und mit hilfe von Seitengängen. Dabei achtete er auf einen systematischen Stundenaufbau, den er für ganz besonders wichtig hielt. Für Podhajsky begann jede Reitstunde mit einer ruhigen Lösungsphase, die zur psychischen und physischen Losgelassenheit führen sollte. Am Ende jeder Stunde wurden in der Regel Ausdruck und Gangarten des Pferdes so stark verbessert gezeigt, dass es tatsächlich so schien, als ob das Pferd das Gehen neu erlernt habe. Bei der Fortbildung der jungen Hengste spielte das Renvers in Podhajskys Methodik eine bedeutende Rolle. Bei diesem Seitengang wird die Vorhand des Pferdes in die Bahn geführt, das Pferd ist dabei in Bewegungsrichtung gestellt und um das äußere Bein gebogen. Podhajsky kombinierte das Renvers gerne mit Traversalen und ließ es auch in Volten reiten. Das Pferd sollte dadurch Beweglichkeit, Lastaufnahme und Balance erlernen. Er nutzte diese Lektion auch gerne als Vorbereitung für schwere Lektionen wie die Galopppirouetten.

Der denkende Reiter

Für Podhajsky durfte das Pferd bei der Dressurausbildung nie in eine Schablone gepresst werden, denn jedes Tier war für ihn individuell. Um eine für das Pferd angemessene Ausbildung zu gewährleisten, vertrat er die Meinung, dass nur ein mitdenkender Reiter ein Pferd sinnvoll arbeiten und ausbilden könne. Jede Übung einer Reitstunde musste hierbei nach ihrem Zweck hinterfragt werden. Ebenfalls sollte sich der denkende Reiter auch mit seinen eigenen Schwächen auseinandersetzen und seine Handlungen im Sattel reflektieren. Je weiter das Dressurpferd ausgebildet war, umso wichtiger wurde die gut geschulte Beobachtungsgabe seines Reiters. Podhajsky konnte jederzeit erkennen, wo das Pferd seine Stärken und Schwächen hat und ihm entsprechend helfen. Er stellte diese hohen Ansprüche nicht nur an seine Schüler, sondern auch in hohem Maße an sich selber. Aufgrund dessen befasste er sich viel mit den alten Meistern, um seinen eigenen Horizont zu erweitern. Besonders genannt seien hier Guérinière, Weyrother und Louis Seeger. Podhajsky setzte sich intensiv mit deren Ausbildungsmethoden auseinander und nahm daraus viele Anregungen für seine eigene Arbeit. Er lobt zum Beispiel ausdrücklich den systematischen Stundenaufbau von Guérinière sowie Seeger für sein gut verständliches Buch und seine Ausführungen zum Thema Gleichgewicht. Andererseits kritisiert er aber zum Beispiel Seegers missverständliche Ausführungen zum Thema Aufrichtung und dem Gebrauch des Sporns.

Ehre wem Ehre gebührt

Alois Podhajsky leitete die Spanische Hofreitschule bis zum Jahr 1964. Im Anschluss an diese Zeit arbeitete er weiterhin als Reitlehrer und gab auf diesem Weg seine Erfahrungen weiter. Nebenbei begann er seine Erkenntnisse bezüglich der Pferdeausbildung niederzuschreiben, woraus sein berühmtes Werk „Die Klassische Reitkunst“ entstand. Es war ihm wichtig, seine eigenen Erfahrungen mit dem mündlich überlieferten Wissen und den Traditionen der Hofreitschule in einem Werk zu vereinen. Zeitlebens bedauerte Podhajsky die Tatsache, dass seine Vorgänger keine oder nur wenige schriftliche Aufzeichnungen über ihre Arbeit hinterlassen hatten. Die Erstauflage seines Werks erschien im Jahre 1965. Das Buch ist auch für die heutigen Reiter und Ausbilder interessant, weshalb es im Jahre 2009 noch einmal in einer Neuauflage auf den Markt kam.

Kristina Conrädel

 

Biografie

Alois Podhajsky wurde am 14. Februar 1898 in Mostlar geboren. Nach ersten Reitstunden in der Jugend ging er zum Militär und wurde bald zur Kavallerie versetzt. Von 1933-1934 wurde Podhajsky für zwei Jahre an die Spanische Hofreitschule in Wien gerufen. Nach dieser Fortbildungszeit startete er 1936 bei den Olympischen Sommerspielen in Berlin und gewann dort die Bronzemedaille in der Dressur. Am 1. März 1939 wurde er zum Kommandeur der Spanischen Hofreitschule benannt. In seiner Amtszeit prägte Podhajsky die Wiener Hofreitschule durch seine Entscheidungen. So erhöhte Podhajsky die Anzahl der Pferde von 30 auf 70 und stattete die Reithalle mit Lüstern und anderen hochwertigen Materialen aus, die die Besucher noch heute bestaunen können. Des weiteren etablierte er die fliegenden Galoppwechsel à Tempo bei den Vorführungen. Aufgrund des 2.Weltkrieges evakuierte Podhajsky 1945 alle Lipizzaner aus Wien und sorgte auf diese Weise dafür, dass viele Pferde gerettet werden konnten. Die Lipizzaner kehrten erst zehn Jahre später, im Jahr 1955, wieder nach Wien zurück. 1964 endete die Amtszeit von Podhajsky und er arbeitete daraufhin als Autor und Reitlehrer. Alois Podhajsky starb am 23. Mai 1973 in Wien und bekam ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.

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