Wenn Pferde für dich durchs Feuer gehen

Wenn Pferde für dich durchs Feuer gehenWenn Pferde für dich durchs Feuer gehen

Ausbildung | Christa Friedli Müller 

Oder von der Kunst der pferdegerechten Ausbildung

Pferd ist nicht gleich Pferd. Auf den ersten Blick fallen dem Betrachter zwar offensichtliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Rassen auf. Trotzdem sprechen wir allenthalben einfach von „dem Pferd“. Doch genauso wenig wie es „den Menschen“ gibt, gibt es „das Pferd“. Bei der Ausbildung von Pferden gilt es deshalb nicht nur, Unterschiede zwischen den Rassen zu berücksichtigen, sondern auch innerhalb derselben Rasse die verschiedenen Individuen mit ihren spezifischen Charakterzügen, Stärken und Schwächen wahrzunehmen.

Ziel jeder Ausbildung muss sein, Pferde langsam, vielseitig und gründlich auszubilden, um die jedem Pferd innewohnende Schönheit und Anmut zu voller Blüte zu bringen, ihre Gesundheit zu erhalten und den Muskelaufbau zu stärken. Dies gelingt jedoch kaum durch die heute leider oft immer noch üblichen schnellen Ausbildungsweisen, sondern durch positive Verstärkung in einem entspannten Lernklima. Das Wissen um Anatomie, Psychologie, Pädagogik, Ethik und die korrekte und respektvolle Arbeit mit dem Pferd müssen bei jeder Ausbildung im Vordergrund stehen.


Immer noch sind Trainingsmethoden en vogue, die darauf abzielen, Pferde mittels Druck auszubilden. Ein Blick zurück in die Anfänge des 20. Jahrhunderts leistet Erklärungshilfe, weshalb dies so ist. Damals haben Verhaltensforscher das Rangordnungsverhalten entdeckt, darunter auch beim Pferd. Kurz darauf wurde die sogenannte Dominanztheorie ins Pferdetraining aufgenommen, und obwohl die Verhaltensforschung inzwischen viele neue Erkenntnisse liefert, werden noch immer Trainingsmethoden nach dem vermeintlichen Prinzip der sozialen Struktur der Pferdeherde aufgebaut. Kurz erklärt, gehen diese Methoden davon aus, dass sich der Mensch durch dominantes Auftreten Respekt verschaffen und sich das Pferd ihm unterwerfen soll. So verschieden die Methoden sind, so auffällig ist eine Gemeinsamkeit: Sie basieren auf dem Konzept von Druckaufbau und Nachlassen von Druck, wobei die Pferde zwischen zwei unangenehmen Möglichkeiten wählen können, nämlich ob sie sich dem Druck fügen oder ihm ausweichen, um bei letzterem noch mehr Druck ausgesetzt zu werden. Unterwürfigkeit ist die Grundlage der täglichen Arbeit.


Allerdings stellen wissenschaftliche Erkenntnisse die Existenz einer reinen Dominanzhierarchie innerhalb der Pferdeherde und gegenüber dem Menschen stark infrage. Wie auch Marlitt Wendt in ihrem Buch „Vertrauen statt Dominanz“ schreibt, „ist das tatsächliche Herdenverhalten mit seiner sozialen Struktur und seiner Rangordnung nicht so übersichtlich und eindimensional, wie es jahrzehntelang gelehrt wurde“. Aus heutiger Sicht der Verhaltensforschung setzt sich die Pferdeherde aus einer kooperativen Gemeinschaft zusammen, bei der jedes Pferd für einen begrenzten Zeitraum und für einen definierten Bereich seine individuelle Rolle übernimmt.


Die Trainingsform der „lachenden“ Pferde


Wer sich für eine Trainingsmethode entscheiden möchte, kann sich folgende Frage stellen: „Würde ich bei dieser Ausbildung selbst gerne Lernender sein?“ Denn was uns Menschen beim Lernen hilft, hilft auch dem Pferd: Nur wenn sich ein Pferd körperlich und seelisch wohlfühlt, kann es sich seinen Möglichkeiten entsprechend entwickeln. Dazu braucht das Pferd genau das Mass an Nahrung, Pflege und Zuwendung, das ihm entspricht. Jedes Pferd braucht Anregung und Umgang mit Pferden und Personen, die ihm vertraut sind, um sich entwickeln zu können. Ein Pferd ist keine Knetmasse, die beliebig geformt werden kann. Jedes hat seine Stärken und Schwächen sowie sein spezifisches Entwicklungstempo. Wenn seine Grundbedürfnisse befriedigt werden, kann ein Pferd ohne Zwang und Druck erzogen und ausgebildet werden. Es lernt, ohne dass sein Wille gebrochen und seine Selbständigkeit völlig eingeschränkt wird.
Die Trainingsform der „lachenden“ Pferde besteht darin, dass die „Arbeit“ für das Pferd Lob und Profit bedeutet. Als Lob werden positive Verstärker wie Futterlob, Handlob, Anerkennung und stimmliche Zuwendung eingesetzt. Wer nun aber glaubt, dass es reicht, das Pferd nur für das Endergebnis zu belohnen, irrt. Natürlich ist dies Teil der Philosophie hinter dem Konzept der positiven Pferdeausbildung. Aber die Arbeit mittels positiver Verstärkung bedeutet vor allem auch, sich darüber Gedanken zu machen, wie das Pferd lernt und das Training entsprechend zu gestalten. Es zählt also nicht das Ergebnis allein, sondern mindestens ebenso wichtig ist der Weg, der zu diesem Ergebnis führt. Denn die Lernerfahrung, die das Pferd bis zum Beherrschen einer Übung oder einer Lektion macht, prägt das Tier nachhaltig. Oder anders formuliert: Jeder kleinste Schritt auf dem Weg zur Perfektion muss honoriert werden, nicht nur das Endergebnis. Ein wenig ist es doch wie bei uns: Natürlich ist es toll, wenn wir für unsere geleistete Arbeit Ende Monat einen guten Lohn erhalten; aber ist es nicht ungleich schöner und macht unsere Arbeit wertvoller und unser Leben lebenswerter, wenn wir täglich ein kleines Lob, eine nette Aufmerksamkeit, ein liebes Wort hören?


Horseathlon®Philosophie: Teamwork - Schritt für Schritt gemeinsam zum Erfolg


Der Weg der positiven Pferdeausbildung ist ein Weg ohne Zwang und Druck, der die freiwillige Mitarbeit des Pferdes fördert. Pferdetrainer und –besitzer müssen immer wieder bereit sein, sich mit dem Pferd und seinem Wesen, seinen Bedürfnissen und Talenten auseinanderzusetzen. Es bedeutet, an sich selbst zu arbeiten, sein Tun immer wieder zu hinterfragen und sein Training zu reflektieren. Es bedeutet auch, das Training so zu gestalten, dass dem Pferd eine Übung in kleinsten Teilschritten erklärt werden kann und es die Zeit erhält, die es braucht, um diese Übung zu begreifen. Wer bereit ist, in eine vertrauensvolle Mensch-Pferd-Beziehung zu investieren, erhält letzten Endes etwas viel Wertvolleres als ein „gehorsames“ Pferd, nämlich ehrliche Motivation, Zuneigung, Respekt und Freundschaft.


Das kleine Übungs-Einmaleins vom Fohlen bis zum erwachsenen Pferd


Vom Absetzer bis etwa 1,5/2 Jahre
Fohlenweide, idealerweise in gemischtaltriger Herde /
Aufbau der Mensch-Pferd-Beziehung im Zusammensein und üben des Fohlen-ABCs: Hufe geben / Anbinden und Putzen / erstes Führtraining / Geländespaziergänge an der Seite eines sicheren Pferdes / spielerisches Kennenlernen verschiedener Gegenstände

Von 1,5/2 bis 3 Jahre
Spaziergänge an der Hand / Mitführen als Handpferd / Erste Trailübungen an der Hand / Gelassenheitstraining

Von 3 bis 4 Jahre
Mitführen als Handpferd / Spaziergänge an der Hand / Erste Zirkuslektionen / Trail-Übungen an der Hand / Gelassenheitsübungen / Erste Longenarbeit (Geraderichten, Übergänge) / Handarbeit am kurzen Zügel mit Kappzaum (Schritt)


Ab ca. 4 Jahre
Mitführen als Handpferd / Basis Reiten
Zirkuslektionen (Perfektionieren der bereits erlernten Zirkuslektionen) / Trail-Übungen an der Hand und unter dem Sattel / Fortgeschrittene Gelassenheitsübungen / Eventuell Freiheitsdressur / Handarbeit am kurzen Zügel mit Kappzaum (Trab) /Handarbeit am kurzen Zügel auf Trense


Ausbildungsprinzipien

  • Vom Einfachen zum Schwierigeren!
  • Vom Bekannten zum Unbekannten!
  • Schritt für Schritt.
  • Pausen einbauen, damit das Pferd überlegen und das Gelernte verarbeiten kann.
  • Du hast Zeit, viel Zeit!
  • Morgen ist auch ein Tag, du musst nicht alles heute tun!
  • Das Pferd hat nie Schuld. Wenn etwas nicht funktioniert, versteht es dich nicht, kann es nicht oder ist überfordert.
  • Reiten ist kein Kraft- und auch kein Kampfsport, sondern ein Denksport. Wenn etwas nicht funktioniert, setze dich hin und überlege, wie du es anders machen kannst.
  • Mache dem Pferd die Übung schmackhaft und verständlich.
  • Das Pferd soll süchtig nach deinem Lob werden!
  • Wenn ein Pferd Angst hat, wirkt Futter Wunder!
  • Nur mit viel Ruhe und Geduld kommst du ans Ziel!
  • Das Ziel des Trainings ist eine Verbesserung gegenüber dem letzten Mal. Verlange von jungen Pferden keine Perfektion.
  • Baue auf positive Erlebnisse auf! Das Pferd wird dadurch immer selbstbewusster und du kannst es mit schwierigeren Dingen konfrontieren.
  • Beende deine Trainingseinheit immer mit einem positiven Erlebnis. Das Pferd muss immer mit einem guten Gefühl in den Stall gehen.
  • Die Kommunikation bei der Bodenarbeit erfolgt über Hilfen. Mittels dieser Hilfen machst du dem Pferd verständlich, was du von ihm möchtest. Das Wort „Hilfe“ leitet sich nicht von „befehlen“, sondern von „helfen“ ab. Ziel ist es, die Hilfengebung im Laufe der Ausbildung immer mehr zu verfeinern und zu reduzieren. Unter Hilfen versteht man Stimmkommandos, Signale mit der Gerte, dem Seil, der Hand oder mittels Körpersprache.

Text: Christa Friedli Müller, Pferdeverhaltenstherapeutin AzB, Autorin, horseathlon.ch
Bilder: Helmut Piller, © horseathlon.ch


Das Buch zur Horseathlon®Philosophie:

Seit Oktober 2016 ist das Buch zum Ausbildungskonzept im Buchhandel und online erhältlich. Erschienen ist es im renommierten Olms Verlag – ein Garant für hochstehende Pferde-Fachliteratur.


Gerne stehen die Autoren, Helmut Piller und Christa Friedli Müller, für weitere Auskünfte zur Verfügung.


Weitere Informationen zum Konzept und zum Buch:
Horseathlon®Pressestelle
Christa Friedli Müller
Bernstrasse 95
CH-3267 Seedorf
Tel. 0041 (0)78 846 39 75
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