Alexandertechnik für Reiter*innen

Alexandertechnik für Reiter*innen

Beinahe jedes Jahr kommt eine neue Methode auf den Markt, mit der wir uns und unsere Pferde motivieren sollen, sie und uns optimieren, geschmeidiger machen können. Dagegen ist die Alexandertechnik in Verbindung mit dem Reiten schon Jahrzehnte etabliert! In der Sprechstunde für heisere Schauspieler und Synchronsprecher sogar schon über 100 Jahre. Der Erfinder, Mathias F. Alexander, kurierte in Australien damit seine eigene Verspannung und rettete sich somit vor der Berufsunfähigkeit als Schauspieler und Sprecher.

Mir ist die Alexandertechnik (AT) vor rund zwanzig Jahren in Warendorf „begegnet“, in Person des Australiers Richard Weis im DOKR (Deutsches Olympiade Komitee für Reiterei). Mir war in Sekunden klar, dass es das war, was ich lange gesucht hatte: auch mit einem Riesen als Pferd war es nach seiner Anleitung möglich, nur eine Hand am Widerrist, auf den Rücken zu gelangen. Das wirkte kinderleicht, erklärt aber nur im Ansatz, was die Basis der AT ist: Der relativ schwere Kopf liegt auf einer verhältnismäßig kleinen Oberfläche auf dem Hals auf. Gerade Reiter*innen neigen hier zu Verspannungen, wippen oder schlagen regelrecht mit dem Kopf. Bei der Alexandertechnik geht es um das Zusammenspiel von Körper und Geist, um Aufrichtung und um die Steuerung, vorher zu überlegen, wie eine Bewegung mit weniger Energieaufwand ausgeführt werden kann. Leitsatz ist dabei:


„Wenn Ihr aufhört, das Falsche zu tun, geschieht das Richtige wie von selbst“

Zitat / Mathias F. Alexander.


In mir entstand sofort der Wunsch, eines Tages einen Kurs auf meiner Reitanlage anbieten zu können. Es dauerte noch sieben Jahre, bis ich Sarah Rob fand, die aus Hannover anreiste und rund zehn Reiter*innen aus allen Disziplinen einen Tag lang unterrichtete. Jeder hatte eine Übungseinheit auf einer Liege, auf der alle Gelenke, Sehnen und Bänder entspannt in eine ausbalancierte Stabilität gebracht wurden. Danach sattelte jeder sein Pferd und bekam eine Einheit zusammen mit dem Vierbeiner, mit zum Teil deutlich sichtbaren Ergebnissen. Es ist der Struktur der Region geschuldet, dass die Idee, regelmäßige Kurse mit Sarah Rob zu veranstalten, schwierig umzusetzen war. Zwischenzeitlich fuhr ich mit Reiter*innen, die Interesse und Bedarf hatten, zu Walter Tschaikowski zu Einzelstunden, auch für mich.


Während meiner Fortbildung in der Hofreitschule in Bückeburg suchte ich in der Gegend eine Lehrerin für AT und wurde am Steinhuder Meer fündig: Susanne Kamlott aus Mardorf, die mit der AT auch Elemente aus dem Yoga verbinden kann. Die letzten Stunden, die ich mit
Barbara Blickensdorff vom Zentrum für Alexandertechnik auf der Hippologica in Berlin genossen hatte, waren einfach schon wieder viel zu lange her. Damals konnte ich ergründen, warum einige Methoden in der Zwischenzeit der Alexandertechnik Konkurrenz machen und sie zu verdrängen drohen: Als Beispiel ist das Centered Riding ähnlich, vieles gründet sich auf die Alexandertechnik! Inzwischen gibt es dafür sogar zwei Verbände für deren Lehrer*innen.
Im Vorgespräch mit Susanne war ausreichend Zeit, um meine Beweggründe zu erläutern und zu schildern, was sich durch die AT bei mir und meinen Pferden verändert hat. Da es keine festen Übungsfolgen braucht, die immer wieder abgespult werden, hatten sich bei mir die Probleme von der Brustwirbelsäule auf den Rücken verlagert: Ich neige zum Hohlkreuz und lasse leicht immer mal wieder die Schultern nach vorne fallen. Eine Folge davon, dass ich oft Pferde mit Rückenproblemen korrigiere und vermehrt im leichten Sitz reite.


Wenige Blicke in den Spiegel und leichte Führung durch Susanne, schon richtete sich mein Körper auf und der Rücken wurde gerade. Vorher hatte ich natürlich die Zeit auf der Liege, auf der Susanne mit sanften Berührungen Bekanntschaft mit meinen „Problemzonen“ machen konnte, während ich in eine tiefe Entspannung abgleiten durfte. Dabei entsteht immer wieder ein inneres Bild, das Susanne und mir hilft, zu verstehen, wie die AT wirkt. Sie fragt ab und zu nach, wie sich alles anfühlt, die inneren Bilder erklären es.


Als Beispiel: Bei der Körper- und Energiearbeit mit anderen Therapeut*innen liege ich öfter für längere Zeit auf dem Rücken. Dabei fühlen sich Ilio-Sakral-Gelenk (ISG) und Becken an, als saugten sie sich an der Unterlage fest. Beim Aufstehen ist das, als sei ich mit Magneten an der Bank angekettet. Susanne Kamlott zeigt mir jetzt einen Weg, wie ich auf andere Art und Weise in die aufrechte Position und von der Liege herunter komme. Ich drehe mich auf die Seite, stütze mich mit einem Arm oberhalb von Schulter und Kopf ab, mit dem anderen rolle ich gemeinsam mit Oberkörper und Beinen über den Bauch in den Stand.


Das Geniale an der Alexandertechnik ist für mich, dass Körper und Geist sich Bewegungen wie diese merken und bei Bedarf abrufen können. Damit fällt ein tägliches oder auch nur wöchentliches Übungsprogramm weg, die Abläufe sind sofort wieder präsent. Wenn wir ehrlich sind, hält uns der innere Schweinehund doch sonst viel zu schnell davon ab, jede Woche oder jeden zweiten Tag strenge Übungen zu absolvieren? Bemerkenswert ist, dass die AT im Zusammenspiel mit Pferden sehr schnelle Erfolge bringt: bei meinem eigenen Hengst hatte ich beobachtet, dass die Verbesserung in der Brustwirbelsäule (BWS) ohne den sonst üblichen Schmerz sofort dazu führte, dass auch er sich unter mir aufrichtete.

 (Fotos: Alexandra Kluxen-Fox, Köln)


Über die Autorin:

Karola Bady

Pferde spielen eine wichtige Rolle im Leben der Redakteurin, die für die Schaumburger Zeitung, der DWZ in Hameln und Sport BILD gearbeitet hat.Seit der Jahrtausendwende ist Karola Bady Tierpsychologin für Pferde und bietet auf ihrem Hof in Oldendorf bei Himmelpforten, Kurse und Seminare rund um die Verhaltenskunde der Pferde an. Außerdem finden hier kranke und psychisch auffällige Pferde ein Team von Experten, die sich um das Wohlergehen der Vierbeiner kümmern.

Mehr Infos unter www.pferde-auf-die-couch.de


 

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