Nicht verzagen, Stöckchen tragen

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In diversen Foren lerne ich, wie viele Menschen ihre Angst überwinden möchten, mit Hilfe von Pferden und mit Reiten. Das erinnert mich an den Satz von Trainer Scheunemann in Süseler Baum beim Lehrgang mit meinen beiden Jungpferden 2004: er fragte mich, wieso es so viele Reiterinnen mit Angst gibt, die dann ausgerechnet Vielseitigkeit reiten wollen? Meine Antwort war damals: „Weil es keinen Sinn macht, Angst zu umgehen. Wir müssen uns ihr stellen, wenn sie nicht immer und überall unser Leben bestimmen soll“. Pepper ist robust, aber drücke ich die richtigen Knöpfe, zeigt auch sie mir ihre Ängste. Deutlich!

Das erste Unglück haben wir also hinter uns. Da hatten wir Linus schon über das Tor zu Pepper zum Beschnuppern gelassen und er hat sie auch fein abgeschlabbert. Gentleman im weißen Frack. Sie fing ebenfalls zu rossen an. Alle Stuten sind nun auf die Sommerweide umgezogen, bis auf Linus, der zu Pepper in den halben Hektar am Hof zieht. Das war der Plan. Es ging alles gut aus, relativ.
Hätte ich erst einen richtigen Stock oder eine Longierpeitsche holen müssen, um die zwei sich prügelnden Pferde zu trennen, wäre Linus platt gewesen? Ich baue Druck anders auf, dazu brauche ich keinen Strick, und nerven will ich Pferde damit nicht, pendelnd hinter den Pferden herlaufend. Eher setze ich auf Zusammenarbeit und Lob. In diesem Fall hat eine laute Stimme wohl gewirkt und der Strick war lediglich die Verlängerung meines Arms, damit Pepper nicht zurück zu Linus an mir vorbei kann. Abenteuerlich! Doch nur so komme ich Peppers Problemen auf die Spur.


Auf ein Wort
Die Zusammensetzung einer Gruppe will gut überlegt sein, die Eingliederung eines Gastes erst recht. Pferde, die sich in der Natur in dieser Zusammensetzung niemals finden werden, sind bei uns die Stammbesetzung. Große und kleine, alle Rassen, alle Brandzeichen. Sie alle müssen klar kommen können. Das erfordert bewusste Überlegungen: wer zuerst mit wem?


Ich hatte mit der Einrichtung der Sommerweide und zwei neuen Pferden zur Therapie die letzte Zeit zu viel zu tun. Die gute Nachricht ist, dass sich Pepper als sehr neugierig, verspielt und gelehrig erweist. Morgens muss ich lachen, wenn sie noch in der Seniorensuite wohnt, über Nacht, offensichtlich hat sie mehr als Respekt vor Pony Linus. Daher fürchte ich, dass sie nicht zur Ruhe kommt, wenn er rückwärts prügelnd auf sie zu galoppiert. Ja, Linus kann das! Der hat schon ganz andere Kaliber und sehr viele größere Helden in ihre Schranken verwiesen. Ungern erinnere ich mich an den „Menschenfresser Paul“ aus dem Tierschutz im Siebengebirge. Der wusste gar nicht, wie ihm geschah, als Linus auf Cuttingmodus war.
Linus steht nun im Tor zur Winterweide und Pepper traut sich da nicht durch! Pony Lucie war freundlich und hatte sie herzlich aufgenommen, war sofort rossig, das ist Pepper unheimlich, wenn Lucie sie bedrängt. Linus, der Schlingel, macht alle rossig, auch die neue: Pony Batida, mit ihren 22 Jahren bisher nur in der Box gehalten und mit gruseligen Hufen versehen, rosste sofort angesichts des Ponymanns. Alle Damen scheinen auf Schimmel abzufahren? Batida hatte chronischen Husten und ist seit einer Woche hier, symptomfrei inzwischen.
Während Pepper mir großen Spaß macht und nachts ihre Suite umräumt. Immer was Neues, entweder hat sie die Satteldecke verschleppt, dann die Bänder aufgeknotet, die am Tor die grüne Plane halten, damit kein Pferdehuf sich in den horizontalen Stangen klemmt. Wann endlich kommt jemand auf die Idee und baut solche Tore mit vertikalen, wie ich sie einst in Butjadingen am Futterplatz für Stuten bei Maike Habers-Bahr sehen konnte?
Wiederum geht Pepper unter dem Heunetz durch, obwohl es mit einem alten Schlafsack wie eine Mauer wirkt. Sie schaut mich an, den Stoff halb über Kopf und Hals. Selbst eingedeckt. Das Netz dient schon länger nicht mehr der Heufütterung, es trennt eher den Bereich ab, in den sie eigentlich nicht darf. Richtung Kälberstall, der eine Etage tiefer liegt und in den sich Linus schon geschummelt hatte, auf der Suche nach Haferkisten oder anderen Leckereien. Der weiße Knastbruder hat dauernd wegen solcher Ausflüge Einträge im Klassenbuch! Dort sollte ich langsam eine Kindersicherung einbauen? Ans Futter kommt Pepper allerdings nicht. Das ist gesichert wie Fort Knox. Genau: Wegen Linus.
Heute war Pepper schon mit einem Huf auf der Wippe und zusammen mit Linus haben wir einen Ausflug zum Kanten abgrasen im Garten des Buddhistischen Zentrums versucht. Leider hat sie da ihre wahre Qualität gezeigt und sich losgerissen! Beim vierten, fünften Versuch konnte ich sie nicht länger halten, dazu tut mir die Seite noch zu weh (blauer Fleck vom Sturz von oben bis unter die Rippen!). Ergo folgt die Erkenntnis: nur komplett gesund und fit mit Therapiepferden arbeiten! Pepper sah nur Linus hinter sich und geriet in Panik. Ja, ich verteidige sie auch noch, das gehört bei mir zur Erstanamnese. Zum Glück lief sie nicht zur Straße! Der Zügel ist hin, das nächste Mal solche Ausflüge erst, wenn ich komplett fit bin.


Auf ein Wort
Wir hätten eben fünf Minuten eher gehen sollen, angemahnt hatte ich das oft genug. Aber der Mann mit dem Schimmelpony musste erst seinen Kaffee austrinken. Dafür ging Pepper brav hinter Linus auf dem Radweg. Ihre Hufe werden langsam besser, ich raspele jeden Tag etwas, bis Profi Anja endlich kommt.


Spaß hat Pepper mit Wasser und Schlauch: ich will ihre Beine und Hufe kühlen (Gallen hinten werden schon kleiner) und sie nuckelt am Schlauch, am Wasserstrahl. Dieses Pferd ist wahrhaftig oral-fixiert, sozusagen? Die alte Trense, die dem Riesen Grizou einst passte, wird von Pepper gern genommen. Um das Führen wieder auf ein Niveau zu bringen, das Pepper nicht mehr zum Ausreißen animiert, benutze ich eben vereinzelt auch einmal ein Gebiss. Da Pepper auf Stöcken heftig reagiert, kann ich am nächsten Tag wieder auf gebisslosen Zaum umrüsten und alles klappt wie am viel gerühmten Schnürchen. Also: nicht verzagen, lieber Stöckchen tragen. Diese Weisheit stammt aus der Heilkunst Hawaiis, Hu-Na. Wer den Stock hält, hat das Kommando. Die anderen schweigen, bis sie das Stöckchen halten dürfen.

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